20 Jahre liegen die Terroranschläge des 11. Septembers zurück. Bilder der einstürzenden Zwillingstürme in New York brannten sich in unser Gedächtnis. Wer aufmerksam war, bemerkte auch den Einsturz des dritten Gebäudes, WTC 7, in welches kein Flieger geflogen war. 20 Jahre lang hatten Wissenschaft und Medien Zeit, offene Fragen zu stellen, zu thematisieren und zu erforschen. Einige Wissenschaftler und Medienschaffende taten das sehr konsequent. Die große Mehrheit jedoch folgte einem Narrativ, das schon wenige Tage nach dem Ereignis von der damaligen Bush-Administration gesetzt und verkündet wurde. Was sagt die Wissenschaft zu diesem folgenschweren Verbrechen und seiner ausbleibenden Aufklärung heute? Wie reagiert man an unseren Universitäten darauf?
9/11 und unsere transatlantisch geprägte Vorstellung von Sicherheit
Für meine Dokumentation „Mut zur Wahrheit — Der 11. September und wir“ suchte ich im Sommer 2019 die Freie Universität Berlin auf, um der Frage nachzugehen: Wie wird der 11. September heute eingeordnet, und wohin bewegt sich die Diskussion? Der Masterstudiengang „Internationale Beziehungen“ bot laut Vorlesungsverzeichnis hierzu ein Seminar an mit dem Titel „Die Außen- und Sicherheitspolitik der EU und der Vereinigten Staaten im Vergleich: Aussichten für die transatlantische Zusammenarbeit“.
Darin hieß es:
„Das Ende des Ost-West-Konflikts (‚11/9‘) und die Terroranschläge vom September 2001 (‚9/11‘) änderten oder akzentuierten die sicherheitspolitische Agenda ‚des Westens‘ (…), das heißt von EU-Europa und den Vereinigten Staaten von Amerika (…) signifikant. Statt traditioneller militärischer Bedrohungen begegnen die transatlantischen Partner, Regierungen und Gesellschaften (…) Quellen der Unsicherheit, die neu sind, oder zumindest neue Bedeutung gewonnen haben: Internationaler Terrorismus, Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, (…). So sind anstelle von ‚Bedrohungen‘ Sicherheits-‘Risiken‘ entstanden, die mit staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren verbunden sind, deren Absichten und Fähigkeiten nicht immer offensichtlich sind.“
Versteckt ausgedrückt sehe ich darin Kriegspropaganda. Entscheidend ist hier das Zeichnen einer Bedrohung in Form eines grundsätzlichen, schwer fassbaren und nicht „offensichtlich“ erkennbaren „Risikos“. Je weniger konkret und allgegenwärtiger ein solches Risiko zu sein scheint, desto mehr Krieg und Überwachung lassen sich damit rechtfertigen.
Dieser Artikel erschien zuerst am 11. September 2021 im Rubikon.