Zwei Jahrzehnte der Verschleierung

9/11 und unsere transatlantisch geprägte Vorstellung von Sicherheit

Für meine Dokumentation „Mut zur Wahrheit — Der 11. September und wir“ suchte ich im Sommer 2019 die Freie Universität Berlin auf, um der Frage nachzugehen: Wie wird der 11. September heute eingeordnet, und wohin bewegt sich die Diskussion? Der Masterstudiengang „Internationale Beziehungen“ bot laut Vorlesungsverzeichnis hierzu ein Seminar an mit dem Titel „Die Außen- und Sicherheitspolitik der EU und der Vereinigten Staaten im Vergleich: Aussichten für die transatlantische Zusammenarbeit“.

Darin hieß es:

„Das Ende des Ost-West-Konflikts (‚11/9‘) und die Terroranschläge vom September 2001 (‚9/11‘) änderten oder akzentuierten die sicherheitspolitische Agenda ‚des Westens‘ (…), das heißt von EU-Europa und den Vereinigten Staaten von Amerika (…) signifikant. Statt traditioneller militärischer Bedrohungen begegnen die transatlantischen Partner, Regierungen und Gesellschaften (…) Quellen der Unsicherheit, die neu sind, oder zumindest neue Bedeutung gewonnen haben: Internationaler Terrorismus, Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, (…). So sind anstelle von ‚Bedrohungen‘ Sicherheits-‘Risiken‘ entstanden, die mit staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren verbunden sind, deren Absichten und Fähigkeiten nicht immer offensichtlich sind.“

Versteckt ausgedrückt sehe ich darin Kriegspropaganda. Entscheidend ist hier das Zeichnen einer Bedrohung in Form eines grundsätzlichen, schwer fassbaren und nicht „offensichtlich“ erkennbaren „Risikos“. Je weniger konkret und allgegenwärtiger ein solches Risiko zu sein scheint, desto mehr Krieg und Überwachung lassen sich damit rechtfertigen.

Dieser Artikel erschien zuerst am 11. September 2021 im Rubikon.

Der Unbestechliche Teil 3/3

Der Tod des Präsidenten von Tansania wirft noch immer brisante Fragen auf. Teil 3/3.

von Angela Mahr

Der Druck auf Magufuli: Ging es nur um Corona?

John Pombe Joseph Magufuli hat sich wohl mindestens in dreierlei Hinsicht bei den Mächtigsten der Reichen unbeliebt gemacht, betreffend Rohstoffe, Corona und Landwirtschaft. Sogar der US-Thinktank Center for Strategic International Studies (CSIS) stellt fest, dass Magufuli sich von „ausbeuterischen Imperialisten“ betrogen sah. Wer den plötzlichen Herztod des tansanischen Präsidenten anzweifelt, fragt sich vielleicht: Was hat er denn gegen den Willen der betreffenden Konzerne und Oligarchen durchgesetzt? Aber da findet sich keine einfache Antwort. Magufuli hat sein Amt insgesamt offenbar so verstanden, für die Tansanier da zu sein. Anders gesagt, er selbst hat sich offenbar nicht korrumpieren lassen und insgesamt das Wohl seines Landes, nicht das einiger korrupter Landsleute, im Blick gehabt.

Viele wichtige Hintergründe finden sich in dem Bericht „Tanzania‘s Late President Magufuli: ‚Science Denier‘ or Threat to Empire?“, zu Deutsch: „Tansanias verstorbener Präsident Magufuli: Wissenschaftsleugner oder Bedrohung für das Imperium?“ von Whitney Webb und Jeremy Loffredo.

Landwirtschaft

Unter dem Titel „Ministerium storniert Versuche mit GVO-Saatgut“ berichtete der tansanische Guardian von IPP-Media am 14. Januar 2021, die tansanische Regierung habe von heute an Forschungsversuche mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO) im Land ausgesetzt. Zudem habe sie eine gründliche Überprüfung von importiertem Saatgut angeordnet, um künstlich manipulierte Versionen abzuwehren. Der Minister äußerte Bedenken über die negativen Auswirkungen von GVO für die Landwirte. Wenn die Nation den freien Zugang zu ausländischem Saatgut zulasse, so befürchtet er, gebe es „eine Dominanz von Saatgut durch einige landwirtschaftliche Unternehmen“, wobei die lokalen Landwirte gezwungen seien, „jedes Jahr von ihnen zu kaufen, wodurch eine Abhängigkeit von Saatgut“ entstehe.

(Dieser Artikel erschien erstmals am 26. Juni 2021 im Rubikon.)

Der Tiefenstaat | Von Paul Schreyer (Podcast aus Apolut)

Der Begriff „Tiefenstaat“ ist schillernd und reich an Anspielungen. Man denkt dabei an „dunkle Mächte“ und Verschwörungen – großes Kino jedenfalls, voller Intrigen und finsterer Hintermänner. Doch der Tiefenstaat ist gerade kein platter „Club der Weltverschwörer“, der überall und jederzeit sämtliche Fäden zieht. – Ein Auszug aus dem 2018 erschienenen Buch „Die Angst der Eliten – Wer fürchtet die Demokratie?“

Der vergessene Krieg

von Angela Mahr

15. April 2021: Der völkerrechtswidrige Afghanistan-Krieg findet nach 20 Jahren ein Ende. Die Nato hat den Krieg verloren und wird ab 1. Mai damit beginnen, alle Truppen abzuziehen. „Deutschland ist nach den USA der zweitgrößte Truppensteller des Nato-Einsatzes in Afghanistan. Derzeit sind noch 1100 deutsche Soldaten dort stationiert. Insgesamt sind es 10.000 Soldaten der Nato“, berichtet die Welt.
Der Chef des Bundeswehrverbands, André Wüstner, fordert zurecht eine „ehrliche Aufarbeitung des 20-jährigen Einsatzes“ und sagt: „Das sind wir allen schuldig: denen, die in Afghanistan gedient haben, insbesondere den Verwundeten sowie Hinterbliebenen (…)“. Erstmals seit ihrer Aufstellung 1955 waren deutsche Soldaten in schwerere Gefechte geraten. Diesen März noch hatte die Verteidigungsministerin für unsere weitere Beteiligung am Afghanistan-Krieg geworben, da man ja „Verantwortung“ habe und aufgrund von „Zusagen gegenüber internationalen Partnern“.

Wie kam es zum Afghanistan-Krieg und warum wissen wir so wenig darüber?
Der folgede Artikel erschien am 25. März 2021 im Rubikon.

Am 25. März wird im Bundestag erneut über das Mandat zum Afghanistankrieg debattiert und entschieden werden. Dieser Krieg sowie die deutsche Beteiligung daran läuft seit nunmehr fast zwanzig Jahren. Das Mandat wird jährlich erteilt. Wir sollten uns vor Augen halten: Genau genommen wird das Thema jedes Jahr infolge eines Antrags der Bundesregierung neu aufgerollt, besprochen und dann darüber abgestimmt.

Zwanzig Jahre Afghanistan. Das aktuelle Mandat für unsere Beteiligung am Afghanistankrieg läuft Ende März 2021 aus. Nun soll es um zehn Monate verlängert werden, bis zum 1. Januar 2022: „Wie bisher sollen bis zu 1.300 Soldaten im Rahmen der NATO-Ausbildungs-, Beratungs- und Unterstützungsmission ‚Resolute Support‘ entsendet werden können“, heißt es auf bundestag.de. In Afghanistan „ist die Bundeswehr als zweitgrößter Truppensteller hinter den USA mit bis zu 1.300 Soldaten engagiert“, so die Tagesschau. Der Bundestag hat zuletzt am 13. März 2020 die Fortsetzung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan um ein Jahr beschlossen. Die Linkspartei und die AfD stimmten geschlossen dagegen.

(Zuerst erschienen am 25. März 2021 im Rubikon)

Psychologische Kriegsführung

PsyOps (Psychological Operations) sind Methoden der psychologischen Kriegsführung. Dabei geht es nicht um rohe Gewalt, sondern um die gedankliche und emotionale Manipulation eines Gegners zugunsten der eigenen Macht. Militär und Geheimdienste setzen PsyOps ein, um die öffentliche Meinung in einem Land zu beeinflussen; Militär und Geheimdienste dürfen aber im eigenen Land keine PsyOps einsetzen. Falls es herauskommt und die Öffentlichkeit davon erfährt, gibt es berechtigterweise einen Aufschrei.

„Intelligence“ ist eine kurze Bezeichnung für das Wirken US-amerikanischer Geheimdienste. Das heißt: Es geht beim Ausbau von Macht um das Sammeln von Informationen und um deren strategische Verwendung.

John Stockwell ist ein ehemaliger hochrangiger Agent der Central Intelligence Agency (CIA), der nach seinem Austritt aus der Agentur 1978 das Buch „Auf der Suche nach Feinden“ schrieb und darin von seinen Erfahrungen berichtet. Sein Auftrag war zuvor gewesen, in Angola Informationen über die verfeindeten Fronten des Bürgerkriegs zu sammeln sowie das paramilitärische Angola-Programm der CIA als Task Force Commander zu leiten. In den US-Medien wurden währenddessen viele Lügen verbreitet.

„Wir überzogen die amerikanische Öffentlichkeit aktiv mit Propaganda, mit grausamen Folgen — Amerikaner, die von der Propaganda unserer Agenten fehlgeleitet wurden, zogen unter selbstmörderischen Umständen in den Kampf nach Angola. (…) Unsere Geheimhaltung war darauf ausgelegt, dass die amerikanische Öffentlichkeit und die Presse nicht erfuhren, was wir taten — wir rechneten fest mit einem Aufschrei, sollten sie es herausfinden“ (1).

Das Sammeln von Informationen und deren strategische Verwendung kann natürlich auch einfach einer Form von Marktforschung oder Public Relations (PR) entspringen. Diese sollte dann nicht — auch nicht indirekt! — von Militär oder Geheimdiensten in Auftrag gegeben worden sein. Hier geht es dann um die Gewinnmaximierung für einen bestimmten Kunden, also um Geld. Der Kunde bleibt nicht im Dunklen. Wann Marktforschung und PR heute unterstützenswert sind und wann nicht, muss jeder gemäß der konkreten Situation selbst entscheiden.

Wenn es aber um den Ausbau und das Zementieren von Macht an sich geht, wird die Sache dunkel, und wir sollten das erkennen, anstatt mitzuspielen. PsyOps wäre dann der passendere Begriff.

Dieser Artikel erschien zuerst am 9. März 2021 im Rubikon.

Tiefer Staat ganz oben

Während des hochkarätig besetzten Planspiels „Event 201“ im Oktober 2019 wurde für den Fall einer Pandemie eine Zentralisierung der Informationsquellen nahegelegt, das Fluten unserer Medien mit den von den anwesenden Strategen als richtig definierten wissenschaftlichen Erkenntnissen sowie Zensur in großem Stil, vor allem im Internet. Unter den fünfzehn Teilnehmern des Event 201 finden sich Vertreter der Johns Hopkins Universität, der Weltbankgruppe und der Bill & Melinda Gates Stiftung, weitere Player aus Wirtschaft und Politik sowie Führungspersonen aus Public Relations und Medien.

Die Teilnehmerin Avril Haines war 2013 und 2014 während der Obama-Administration stellvertretende Direktorin der Central Intelligence Agency (CIA) und wechselte im Anschluss daran wieder zurück ins Weiße Haus als stellvertretende Nationale Sicherheitsberaterin. Bedeutet dies nun, dass die Simulationsübung Event 201 im Zusammenhang mit dem Geheimdienst steht oder dass die Dienste die Ergebnisse daraus aufgreifen?

Die Frage wird sich mancher Leser stellen. Nun wurde vor einigen Tagen die Teilnehmerin Avril Haines vom designierten US-Präsidenten Joe Biden als künftige Direktorin der National Intelligence (DNI), also als Geheimdienstdirektorin, ausgewählt und vorgestellt.

Dieser Artikel erschien zuerst am 8. Dezember 2020 im Rubikon.