Aus aktuellem Anlass und für den Frieden (Blog von Angela Mahr)

„Es lohnt sich, auf Sprache in der Berichterstattung zu achten. Sprache kann so entlarvend sein. Nehmen Sie einfach mal die folgenden Begriffe: Rebell. Freiheitskämpfer. Separatist. Terrorist. Diese Bezeichnungen haben nichts mit Geographie zu tun, werden aber meist so verwandt als hätten sie. Und schließlich, wenn bei einem Blutbad (…) die Täter nicht ins Bild passen, dann kommt der Vorfall in der Berichterstattung erst gar nicht, oder allenfalls am Rande vor“. Das erklärt Gabriele Krone-Schmalz, ehemalige Moskau-Korrespondentin der ARD, 2018 in einem Vortrag über die „Konfrontationspolitik gegenüber Russland und die Medien“.

Es ist aus meiner Sicht nicht möglich, einen Krieg, einen Putsch oder einen Bürgerkrieg zu verstehen oder überhaupt sinnvoll zu besprechen, ohne einen historischen größeren Zusammenhang und die Beachtung verschiedener Perspektiven. Mit diesem Anliegen verbunden hier meine kurze Zusammenfassung zum Tagesgeschehen unter Berücksichtigung verschiedener Perspektiven (Quellenangaben unten).

„Angekündigt war der Schritt bereits – nun hat der russische Präsident Wladimir Putin die beiden Separatistengebiete Luhansk und Donezk im Osten der Ukraine als unabhängige ‚Volksrepubliken‘ anerkannt.“, berichtet die Tagesschau am 21.2.22, und zitiert Putin immerhin wie folgt:

„Die Ukraine sei ‚bis auf das Niveau einer Kolonie mit einem Marionetten-Regime gebracht worden‘, so der Kremlchef weiter. Sie habe nie eine ‚echte Staatlichkeit‘ gehabt, sondern vielmehr Modelle kopiert. Heute hätten in der Ukraine Radikale und Nationalisten das Sagen – unter den Kuratoren des Westens, die das Land in eine Sackgasse geführt hätten. Korruption und Machtkämpfe von Oligarchen würden verhindern, dass es den Menschen in der Ex-Sowjetrepublik besser gehe.“

Putin habe die ukrainische Führung aufgefordert, „sofort das Feuer in der Ostukraine einzustellen.“

Deutsche Politiker werfen nun Putin vor, „eine Gefahr für den Weltfrieden zu sein, die Minsker Abkommen und somit das Völkerrecht gebrochen zu haben und sanktionieren wie bei jeder anderen Gelegenheit wieder Russland“, berichtet Mathias Tretschog am 23.2.22. „Tatsache ist aber, dass laut OSZE die Ukraine militärische Kriegshandlungen gegen die Volksrepubliken bereits seit dem 18.01.2022 durchführte. Somit sind die Minsker Abkommen bzw. Völkerrecht nicht durch Putin gebrochen worden sondern durch die Entscheidungen der ukrainischen Regierung unter Führung des Präsidenten Igor Anatoljewitsch Selenski, bevor Russland die Volksrepubliken anerkannte und zum Schutz der Zivilbevölkerung Friedenstruppen in die Volksrepubliken nach internationalen Rechtsnormen entsenden musste!“

Der Krieg gegen die beiden pro-russischen Republiken innerhalb der Ukraine, welcher der jetzigen Situation vorausging, wird aktuell in den kommerziellen Medien nicht weiter thematisiert, auch nicht der orchestrierte Putsch in der Ukraine 2014, und erst recht nicht die Ostererweiterung der Nato.

„Wenn Sie Putin kritisieren, kommen Sie in den Abendnachrichten, wenn Sie die Nato Osterweiterung kritisieren, wird das rausgeschnitten“, berichtet Daniele Ganser 2015 aus eigener Erfahrung in seinem Vortrag in Berlin. „Und die Leute haben das Gefühl, dass das nicht auffällt. Aber irgendwann wird man schon merken, dass dieser Punkt viel zu wenig beleuchtet wird.“

Die Ukraine sei ein Riesenschritt weiter Richtung Ausdehnung der Nato: „Ich bin, leider, leider, fest davon überzeugt, dass die Nato dieses Ziel verfolgen wird. Die Russen werden das aber nicht zulassen. Sie werden eher die Ukraine in einem Bürgerkrieg zerstückeln, als dass sie die ganze Ukraine in die Nato reinlassen. (…) Also hier haben Sie die Rattenfalle, die steht bereit. Man kann reintappen oder auch nicht.”

Deutschland und die USA hatten Gorbatschow nach der deutschen Wiedervereinigung 1990 versprochen, die Nato würde sich keinen Zentimeter weiter nach Osten ausdehnen. 1999 traten Polen, Tschechien und Ungarn bei, 2004 dann Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, Slowakei und Slowenien, und 2009 dann Albanien und Kroatien.

„Wichtig wäre gewesen, Russland nach 1990 in eine neue Wirtschafts- und Sicherheitsarchitektur einzubeziehen“, so Krone-Schmalz in ihre Vortrag 2018. „Das Stichwort, nach vorne zu schauen, auch wenn es sich vordergründig nach Lehrformel anhört, ist: Partner auf Augenhöhe. Das ist die Basis. Und wenn Friedenspolitik funktionieren soll, dann braucht man aufgeklärte Menschen, die sich nicht alles gefallen lassen, die sich wehren, die die Möglichkeiten in ihrer freien Gesellschaft nutzen, sich zu Wort zu melden, und die nicht aufhören, Fragen zu stellen.“

Ich wünsche mir Frieden. Frieden beginnt mit einer friedlichen Form der Information und Kommunikation, in welcher größere Zusammenhänge und verschiedene Perspektiven einen Platz finden.

Quellen:

Gabriele Krone-Schmalz, 2018: https://youtu.be/rj6jr4qTzbY 18:35 und 23:17

Tagesschau, 21.2.22 https://www.tagesschau.de/ausland/russland-separatistengebiete-101.html

Daniele Ganser, 2015: https://youtu.be/_sMfNmx0wKo 37:30

Mathias Tretschog: https://freiepresse.news/2022/02/23/voelkerrecht-russlands-anerkennung-von-donezk-und-lugansk/