Zwei Jahrzehnte der Verschleierung

9/11 und unsere transatlantisch geprägte Vorstellung von Sicherheit

Für meine Dokumentation „Mut zur Wahrheit — Der 11. September und wir“ suchte ich im Sommer 2019 die Freie Universität Berlin auf, um der Frage nachzugehen: Wie wird der 11. September heute eingeordnet, und wohin bewegt sich die Diskussion? Der Masterstudiengang „Internationale Beziehungen“ bot laut Vorlesungsverzeichnis hierzu ein Seminar an mit dem Titel „Die Außen- und Sicherheitspolitik der EU und der Vereinigten Staaten im Vergleich: Aussichten für die transatlantische Zusammenarbeit“.

Darin hieß es:

„Das Ende des Ost-West-Konflikts (‚11/9‘) und die Terroranschläge vom September 2001 (‚9/11‘) änderten oder akzentuierten die sicherheitspolitische Agenda ‚des Westens‘ (…), das heißt von EU-Europa und den Vereinigten Staaten von Amerika (…) signifikant. Statt traditioneller militärischer Bedrohungen begegnen die transatlantischen Partner, Regierungen und Gesellschaften (…) Quellen der Unsicherheit, die neu sind, oder zumindest neue Bedeutung gewonnen haben: Internationaler Terrorismus, Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, (…). So sind anstelle von ‚Bedrohungen‘ Sicherheits-‘Risiken‘ entstanden, die mit staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren verbunden sind, deren Absichten und Fähigkeiten nicht immer offensichtlich sind.“

Versteckt ausgedrückt sehe ich darin Kriegspropaganda. Entscheidend ist hier das Zeichnen einer Bedrohung in Form eines grundsätzlichen, schwer fassbaren und nicht „offensichtlich“ erkennbaren „Risikos“. Je weniger konkret und allgegenwärtiger ein solches Risiko zu sein scheint, desto mehr Krieg und Überwachung lassen sich damit rechtfertigen.

Dieser Artikel erschien zuerst am 11. September 2021 im Rubikon.

Der vergessene Krieg

von Angela Mahr

15. April 2021: Der völkerrechtswidrige Afghanistan-Krieg findet nach 20 Jahren ein Ende. Die Nato hat den Krieg verloren und wird ab 1. Mai damit beginnen, alle Truppen abzuziehen. „Deutschland ist nach den USA der zweitgrößte Truppensteller des Nato-Einsatzes in Afghanistan. Derzeit sind noch 1100 deutsche Soldaten dort stationiert. Insgesamt sind es 10.000 Soldaten der Nato“, berichtet die Welt.
Der Chef des Bundeswehrverbands, André Wüstner, fordert zurecht eine „ehrliche Aufarbeitung des 20-jährigen Einsatzes“ und sagt: „Das sind wir allen schuldig: denen, die in Afghanistan gedient haben, insbesondere den Verwundeten sowie Hinterbliebenen (…)“. Erstmals seit ihrer Aufstellung 1955 waren deutsche Soldaten in schwerere Gefechte geraten. Diesen März noch hatte die Verteidigungsministerin für unsere weitere Beteiligung am Afghanistan-Krieg geworben, da man ja „Verantwortung“ habe und aufgrund von „Zusagen gegenüber internationalen Partnern“.

Wie kam es zum Afghanistan-Krieg und warum wissen wir so wenig darüber?
Der folgede Artikel erschien am 25. März 2021 im Rubikon.

Am 25. März wird im Bundestag erneut über das Mandat zum Afghanistankrieg debattiert und entschieden werden. Dieser Krieg sowie die deutsche Beteiligung daran läuft seit nunmehr fast zwanzig Jahren. Das Mandat wird jährlich erteilt. Wir sollten uns vor Augen halten: Genau genommen wird das Thema jedes Jahr infolge eines Antrags der Bundesregierung neu aufgerollt, besprochen und dann darüber abgestimmt.

Zwanzig Jahre Afghanistan. Das aktuelle Mandat für unsere Beteiligung am Afghanistankrieg läuft Ende März 2021 aus. Nun soll es um zehn Monate verlängert werden, bis zum 1. Januar 2022: „Wie bisher sollen bis zu 1.300 Soldaten im Rahmen der NATO-Ausbildungs-, Beratungs- und Unterstützungsmission ‚Resolute Support‘ entsendet werden können“, heißt es auf bundestag.de. In Afghanistan „ist die Bundeswehr als zweitgrößter Truppensteller hinter den USA mit bis zu 1.300 Soldaten engagiert“, so die Tagesschau. Der Bundestag hat zuletzt am 13. März 2020 die Fortsetzung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan um ein Jahr beschlossen. Die Linkspartei und die AfD stimmten geschlossen dagegen.

(Zuerst erschienen am 25. März 2021 im Rubikon)